Alarm­stu­fe Samichlaus

Alarm­stu­fe Samichlaus

  • Land­auf, land­ab sagen Chlaus­ge­sell­schaf­ten die­ses Jahr ihre Haus­be­su­che ab.
  • Die Grün­de sind viel­fäl­tig: Fak­to­ren wie die Alters­struk­tur der Gesell­schaf­ten oder die ver­füg­ba­re Anzahl der kost­ba­ren Chlaus­gar­ni­tu­ren sind massgebend.
  • Alter­na­ti­ven sind gefragt und wer­den gewagt. Nur am The­ma Sami­ch­läu­sin schei­den sich die Geister.

«Angst und Unsi­cher­heit haben nicht das letz­te Wort!»

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«Ich fän­de es wich­tig, dass die Eltern Sami­ch­laus auch ohne Besuch in der Fami­lie fei­ern. Man kann zusam­men etwas basteln oder jeman­den beschen­ken in der Nach­bar­schaft, der ein­sam ist», rät Clau­dia Men­nen. Sie lei­tet die Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei der Römisch-Katho­li­schen Kir­che im Aar­gau. Letz­tes Jahr wur­de in der Prop­stei Wis­li­kofen bereits die vier­te Sami­ch­laus-Syn­ode aus­ge­rich­tet. «Den Chlaus­ge­sell­schaf­ten rate ich, mit den Fami­li­en in Kon­takt zu gehen und ihnen einen Vor­schlag für eine klei­ne Sami­ch­laus­fei­er zuhau­se zu machen.» Zur Ent­schei­dungs­fin­dung gibt die Theo­lo­gin mit auf den Weg: «Zur Gesund­heit  gehört auch die sozia­le und die reli­giö­se Dimen­si­on. Prä­senz­kul­tur ist wich­tig. Angst und Unsi­cher­heit haben nicht das letz­te Wort.» Laut Clau­dia Men­nen sol­len die Chläu­se krea­tiv wer­den, damit sie die Besu­che viel­leicht doch rea­li­sie­ren können. 

Der Kult um den hei­li­gen Niko­laus ist seit dem sech­sten Jahr­hun­dert nach­weis­bar. «Da die Legen­de ihn als Ret­ter in Schwie­rig­kei­ten vie­ler Art schil­dert, wird er als Hel­fer in allen Nöten geru­fen», heisst es im gros­sen Namens­tags­ka­len­der von Jakob Tor­sy. Doch in der Schweiz, wo sogar der Natio­nal­hei­li­ge ein Namens­vet­ter ist, mögen im Coro­na­jahr 2020 die Chlaus­ge­sell­schaf­ten nicht allein auf die wun­der­sa­men Kräf­te des hei­li­gen Niko­laus von Myra ver­trau­en. «Wir berei­ten gera­de wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen für Fami­li­en und Chlaus­ge­sell­schaf­ten vor», heisst es etwa auf der Bran­chen-Web­site unter dem Titel «Der Chlaus in Zei­ten von Covid-19».

Video­clip statt Hausbesuch

Vie­ler­orts haben die Chlaus­ge­sell­schaf­ten bereits ent­schie­den, wie sie die­se Sai­son gestal­ten wol­len. Früh infor­mier­te das Brauch­tum St. Niko­laus Woh­len. «Wir pla­nen einen Video­dreh im Wald. Im Film soll der Niko­laus den Kin­dern erklä­ren, war­um er nicht per­sön­lich vor­bei­kom­men kann», so Chlaus­va­ter Röfe Wüst. 

Den Chlaus­film bereits im Kasten hat die Chlaus­zunft Aar­au-West. Im Video­clip schickt der Sami­ch­laus eine erste Bot­schaft an die Adres­se der Kin­der und lädt sie ein, am 6. Dezem­ber um 18 Uhr wie­der vir­tu­ell zu Besuch zu sein in sei­ner guten Stu­be. Bis zum Gschicht­li, das er dann den Kin­dern erzäh­len wird, kön­nen sie sich die Zeit ver­trei­ben mit dem Aus­ma­len eines Sami­ch­laus-Man­da­la, das eben­falls auf der Chlaus­zunft-Web­site her­un­ter­ge­la­den wer­den kann. Doch krea­ti­ve Alter­na­ti­ven hin oder her. Ins­be­son­de­re dort, wo die Chläu­se die­ses Jahr auf Haus­be­su­che ver­zich­ten, ist die Ent­täu­schung rie­sig, schmerzt es Chläu­se, Schmutz­lis und die Kin­der glei­cher­mas­sen. «Der Sami­ch­laus kam bei Wet­ter und Sturm und ein­fach immer. Nur wegen so einem dooooo­fen Virus darf er nicht kom­men. Das ist wirk­lich unfair», lässt Madi­ta ihrem Frust frei­en Lauf. «Schlimm und trau­rig» wäre ein Jahr ohne Sami­ch­laus auch für Livia, Ani­na und Jari. 

https://www.youtube.com/watch?v=DvcCvmlMygo&feature=emb_logo

Mel­lin­ger Chläu­se trot­zen bis dato Corona

Roli Brun, Prä­si­dent ad inte­rim der St. Niko­laus-Gesell­schaft Mel­lin­gen und seit zwan­zig Jah­ren Chlaus, macht zwar auch Abstri­che beim Pro­gramm. Doch an den Haus­be­su­chen wird bis dato fest­ge­hal­ten. Ver­schie­de­ne Fak­to­ren machen dies mög­lich. So sind in Mel­lin­gen genü­gend Mit­glie­der der St. Niko­laus-Gesell­schaft wil­lig, auch unter den beson­de­ren Vor­zei­chen einen Chlaus- bezie­hungs­wei­se Schmutz­li-Ein­satz zu lei­sten. Kommt hin­zu: Die Mel­lin­ger Chläu­se ver­fü­gen auch über genü­gend Gar­ni­tu­ren, womit die im Ein­satz ste­hen­den Chläu­se weder Schnauz, noch Bart noch Perücke unter sich tau­schen müs­sen. Auch wird bereits auf der Anmel­dung zum Chlaus­be­such dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die­ses Jahr die Abstands­re­geln in den Wohn­zim­mern auf jeden Fall ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Schliess­lich fin­det Roli Brun: «Man soll unter Ein­hal­tung der Schutz­mass­nah­men den Advent in die Stu­be brin­gen, es war eh schon ein genug schwe­res Jahr.» Soll­ten letzt­lich den­noch Ände­run­gen am Mel­lin­ger Chlaus­kon­zept 2020 nötig sein, wer­den die­se auf der Web­site der St. Niko­laus-Gesell­schaft veröffentlicht.

Falls Eltern auf die Idee kom­men könn­ten, sel­ber in die Chlaus­rol­le zu schlüp­fen, bie­ten die Mel­lin­ger Chläu­se mit ihrer Klei­der­ver­mie­tung eben­falls Hand. Roli Brun: «Und im Not­fall kann man uns auch für einen Besuch im Umfeld von Mel­lin­gen buchen .» Nach Tipps für alle Do it yours­elf-Chläu­se gefragt, meint Roli Brun: «Nicht bei den eige­nen Kin­dern auftreten.» 

Do it yours­elf — aber nicht bei den eige­nen Kindern

[esf_wordpressimage id=“28362” width=“half” float=“left”][/esf_wordpressimage] Yvonne Port­mann aus Frick, sel­ber Mami und seit Jah­ren im Schmink­team der St. Nikolaus­ge­sell­schaft Die­ti­kon enga­giert, wo sie auf­ge­wach­sen ist, ergänzt: «Trotz Ver­klei­dung und Schmin­ke sind Kin­der unglaub­lich gut, Men­schen an der Stim­me, Gang­art oder den Bewe­gun­gen zu erken­nen.» So erkann­te ihre Nich­te bereits als Zwei­jäh­ri­ge ihren Papi-Chlaus an des­sen Winken.

Yvonne Port­mann betont: «Das gesam­te Erschei­nungs­bild muss stim­men. Das heisst, die Albe genug lang, die Fal­ten schön ‘büschelt’, schwar­ze Hosen dar­un­ter, Bart und Perücke müs­sen sit­zen. Schmutz­lis mit dunk­ler Klei­dung und Wan­der­schu­hen, der Umgang pas­send zur Kör­per­grös­se, anson­sten sehen sie mehr aus wie Zwerg­li.» Ganz wich­tig erach­tet sie, dass nichts «bil­lig» aus­sieht. «Sonst lässt man es bes­ser sein als zu ris­kie­ren, dass das Kind den Glau­ben an den Sami­ch­laus ver­liert. Dann ist viel­leicht ein gefüll­tes Jute­säck­li vor der Haus­tür mit einem net­ten Brief vom Sami­ch­laus mit Erklä­rung, war­um er die­ses Jahr lei­der nicht per­sön­lich zu Besuch kom­men konn­te, eine glaub­wür­di­ge­re Variante.»

Umstrit­te­ne Genderfrage

Auf der Schluss­etap­pe im Unter­wegs­sein durchs Chlau­sen­land wag­te sich die Hori­zon­te-Redak­ti­on noch an ein höchst umstrit­te­nes The­ma und woll­te wis­sen, wie es denn bei einem – im Coro­na­jahr – ver­ständ­li­chen Chlaus­man­gel mit dem Ein­satz einer Sami­ch­läu­sin wäre? Wäh­rend es die Enga­gier­ten in den Chlaus­ge­sell­schaf­ten bevor­zu­gen, am Bewähr­ten fest­zu­hal­ten, stösst die Idee bei den befrag­ten Kin­dern auf Begei­ste­rung. «Wäre cool», sagt Livia, und die zehn­jäh­ri­ge Madi­ta meint: «Das wäre echt toll! Denn jeder hat die glei­chen Rech­te und es wür­de super zur femi­ni­sti­schen Bewe­gung pas­sen. Also ich bin voll dabei. Das Pro­blem mit dem Bart? Also ehr­lich: Wir sind doch nicht im Mit­tel­al­ter. Es kann ja auch eine Sami­ch­läu­sin sein, die etwas anders ist.»

Ent­decken Sie hier eine frü­he­re Bild-Repor­ta­ge zum Samichlaus

https://www.horizonte-aargau.ch/achtung-fertig-samichlaus/
Ach­tung, fer­tig, Samichlaus!
Andreas C. Müller
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