Aar­gau­er Wege zur Kir­che im Dorf

Aar­gau­er Wege zur Kir­che im Dorf

Das The­ma Nah­raum­pa­sto­ral hat wenig mit dem Umgra­ben eines Stückes Land zu tun. Doch hilft das Bei­spiel, zu ver­ste­hen, was  das Pilot­pro­jekt von Bis­tum Basel und Katho­li­scher Lan­des­kir­che ist: not­wen­di­ge Arbeit, bevor etwas wach­sen kann.In den Jah­ren 2014 und 2015 gei­ster­te der Begriff «Nah­raum­pa­sto­ral» durch den Kir­chen-Aar­gau. In Ver­an­stal­tun­gen dis­ku­tier­te man Wege leben­di­ger Kir­che vor Ort. Zwar wur­de es still um das The­ma, doch die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau und das Bis­tum Basel leg­ten mit­nich­ten die Hän­de in den Schoss.

Blick zu den Nachbarn

An der Aus­gangs­la­ge für das The­ma «Nah­raum­pa­sto­ral» hat sich nichts geän­dert. Die Kir­chen­land­schaft ver­än­dert sich und für die Zukunft sind alter­na­ti­ve, trag­fä­hi­ge Model­le für leben­di­ge Kir­che im Dorf oder Quar­tier (das Bis­tum Basel nennt die­se «Nah­raum») not­wen­dig.Zwar gab es in den Kan­to­nen Thur­gau und Jura bereits Anläu­fe (Hori­zon­te berich­te­te) und auch ande­re Bis­tü­mer machen sich Gedan­ken zum The­ma (so zum Bei­spiel das Bis­tum St. Gal­len mit dem Pro­jekt «Neu­land»), doch «im Bis­tum Basel gab es bis­her nur Über­le­gun­gen zur Nah­raum­pa­sto­ral, die aus ande­ren Diö­ze­sen ‚impor­tiert‘ wur­den. Es gab kei­ne Über­le­gun­gen, die in den rea­len Situa­tio­nen der Pfar­rei­en und Pasto­ral­räu­me des Bis­tums Basel ent­stan­den sind», erklärt Tobi­as Font­ein, Bis­tums­re­gio­nal­ver­ant­wort­li­cher der Bis­tums-Regi­on St. Urs.

Hohe Moti­va­ti­on im Aargau

In der Aus­wer­tung der ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen zum The­ma ent­stand dann die Idee zum Pro­jekt Nah­raum­pa­sto­ral. Dabei, so Tobi­as Font­ein, sas­sen Ver­tre­ter von Lan­des­kir­che, Bis­tum Basel und der Erwach­se­nen­bil­dung an einem Tisch und es zeig­te sich, dass im Aar­gau ein hohes Inter­es­se dar­an bestand, die Über­le­gun­gen vor­an­zu­trei­ben: «In ande­ren Bis­tums­kan­to­nen hat das The­ma Nah­raum­pa­sto­ral längst nicht die­se Auf­merk­sam­keit».Schliess­lich bil­de­te sich eine Steu­er­grup­pe, die das «Pilot­pro­jekt Nah­raum­pa­sto­ral» erar­bei­te­te. In die­ser nah­men Ein­sitz: Der Vize­prä­si­dent des Kir­chen­ra­tes der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau, Heinz Altor­fer, der Regio­nal­ver­ant­wort­li­che Tobi­as Font­ein, Urs Brun­ner vom Pasto­ral­amt des Bis­tums Basel, die Seel­sor­ge­rin für Bad Schinz­nach, Bri­git­ta Minich, Wal­bur­ga Grimm vom Aar­gaui­schen Katho­li­schen Frau­en­bund und die Lei­te­rin von Bil­dung und Prop­stei, Clau­dia Men­nen.Der Kir­chen­rat Heinz Altor­fer erklärt die Grund­la­ge: «Die Erfah­rung von Kir­che machen Men­schen mei­stens da, wo sie zusam­men­le­ben, in Bezie­hung ste­hen unter­ein­an­der und auf­ein­an­der ange­wie­sen sind. Bis­tum und Lan­des­kir­che arbei­ten gemein­sam dar­an, dass in den neu­ge­schaf­fe­nen Pasto­ral­räu­men eine sol­che Erfah­rung von Kir­che wei­ter­hin mög­lich ist. Daher wur­de in gemein­sa­mer Trä­ger­schaft das Pilot­pro­jekt „Nah­raum­pa­sto­ral“ geschaf­fen, das exem­pla­risch auf­zei­gen soll, wel­che Wege am besten ein­zu­schla­gen sind». Im Bis­tum Basel ist die­se Art der Zusam­men­ar­beit ein Novum.

Der Blick an die Basis

Für die Pro­jekt­lei­tung konn­te die Steu­er­grup­pe Kurt Adler gewin­nen. Er sel­ber bezeich­net sei­ne Arbeit als Coa­chin­gar­beit für die Pasto­ral­raum­lei­ten­den. Für ihn ist der Blick an die Basis ent­schei­dend: «Egal, wie die Wege nach­her kon­kret aus­se­hen. Sie müs­sen von den Men­schen vor Ort, von den Ver­ant­wort­li­chen vor Ort ent­wickelt wer­den. Letzt­lich wird das Pro­jekt nicht von der Steu­er­grup­pe oder mir als Pro­jekt­lei­ter durch­ge­führt, son­dern von den Men­schen vor Ort», erklärt er mit Über­zeu­gung.Vor Ort, das sind in die­sem Fall bereits errich­te­te Pasto­ral­räu­me. Nach einer Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung für die Pasto­ral­räu­me star­te­te die Bewer­bungs­frist. Bedin­gung war, der Pasto­ral­raum soll­te kurz vor der Errich­tung ste­hen, oder bereits errich­tet sein. Der Grund liegt für Tobi­as Font­ein auf der Hand: «Einer­seits war es dem Bis­tum Basel wich­tig, dass die Über­le­gun­gen zur Nah­raum­pa­sto­ral in den geklär­ten Struk­tu­ren eines Pasto­ral­raums statt­fin­den, ande­rer­seits bestand die Befürch­tung, das ein Pro­jekt im Pro­jekt zu Über­la­stung, Kon­flik­ten oder zur Ver­län­ge­rung des Pasto­ral­raum­pro­zes­ses füh­ren könn­te».Zwei Pasto­ral­räu­me bewar­ben sich schliess­lich erfolg­reich: Der Pasto­ral­raum Regi­on Brugg-Win­disch und der Pasto­ral­raum Am Mut­schel­len. «Das Pro­jekt soll­te eigent­lich mit drei Pro­jekt­part­nern durch­ge­führt wer­den. Aber aus zwei­en kön­nen ja immer noch drei oder vier oder mehr wer­den, damit Kir­che wei­ter­hin am Ort und mit den Men­schen vor Ort lebt», sagt Kurt Adler.

Jeder Pasto­ral­raum ein Modell für «Nah­raum­pa­sto­ral»

Seit August läuft das Pro­jekt nun in den bei­den Pasto­ral­räu­men und schon nach der kur­zen Zeit wird deut­lich, dass es Bis­tum, Lan­des­kir­che und beson­ders dem Pro­jekt­lei­ter ernst ist mit dem Blick an die Basis. Kurt Adler erläu­tert, dass die Wege in den bei­den Pasto­ral­räu­men nicht ver­gleich­bar sind, weil die Struk­tu­ren und Aus­gangs­la­gen nicht ver­gleich­bar sind.So wird in der Regi­on Brugg-Win­disch mit den bereits exi­stie­ren­den fünf Kir­chen­zen­tren und deren Ansprech­per­so­nen gear­bei­tet, wäh­rend sich die Pla­nungs­grup­pe Am Mut­schel­len aus je zwei Leu­ten pro Pasto­ral­raum­pfar­rei zusam­men­setzt. Gemein­sam ist bei­den Grup­pen die Fra­ge nach der Begriffs­klä­rung: Nah­raum­pa­sto­ral, was ist das eigent­lich? Bei­den gemein­sam auch die Über­zeu­gung, dass Nah­raum­pa­sto­ral nur mit enga­gier­ten und gut unter­stütz­ten Frei­wil­li­gen geht.

Enor­mes Potential

Simon Mei­er, Pasto­ral­raum­lei­ter Regi­on Brugg-Win­disch erklärt: «Die Kir­chen­zen­tren haben alle eine je eige­ne Prä­gung, haben aber alle einen Kir­chen­raum, ein Sekre­ta­ri­at und Büros für Seel­sor­gen­de und kate­che­tisch Täti­ge und Kir­chen­räu­me für Ver­samm­lun­gen und Anläs­se. Uns ist bewusst, dass wir irgend­wann nicht mehr in jedem Kir­chen­zen­trum eine theo­lo­gisch aus­ge­bil­de­te, haupt­amt­li­che Ansprech­per­son haben wer­den. Des­halb suchen wir nach alter­na­ti­ven Wegen. Es hat vie­le, lokal enga­gier­te Frei­wil­li­ge. Deren Begei­ste­rung und Mit­tra­gen ist zwin­gen­de Vor­aus­set­zung für eine leben­di­ge Nah­raum­pa­sto­ral».Robert Wein­buch, Pasto­ral­raum­lei­ter Am Mut­schel­len erklärt den Grund für die Teil­na­hem am Pro­jekt so: «Wir sehen das Pilot­pro­jekt als Chan­ce, nicht nur immer auf den Man­gel zu reagie­ren, son­dern aktiv Kir­che in unse­ren Pfar­rei­en und im gesam­ten Pasto­ral­raum zu gestal­ten». Die je zwei Teil­neh­men­den aus den Pfar­rei­en sei­en mit gros­sem Enga­ge­ment dabei ihre Ideen ein­zu­brin­gen. «Wenn es uns gelingt, Men­schen zu begei­stern, ihre Fähig­kei­ten dafür ein­zu­set­zen, was ihnen wich­tig ist und ihnen Freu­de macht, dann steckt in unse­ren Pfar­rei­en noch enor­mes Poten­ti­al», zeigt sich Robert Wein­buch über­zeugt.

Blick in die Zukunft

Doch was – so mag man fra­gen – bringt die­ses Pro­jekt den Men­schen vor Ort? Robert Wein­buch erhofft sich für den Pasto­ral­raum Am Mut­schel­len, «dass am Ende der Pro­jekt­pha­se ver­schie­de­ne mög­li­che Hand­lungs­leit­li­ni­en für pasto­ra­les Han­deln vor­lie­gen, so dass der Pro­zess wei­ter­ge­hen kann. Damit die Kir­che im Dorf bleibt!»Und hier hilft nun das Ein­gangs­bild. Das The­ma Nah­raum­pa­sto­ral ist momen­tan in der Pha­se, in der umge­gra­ben wird. Eine Pha­se, die für den Zuschau­er lang­wei­lig ist, denn es ist noch nichts da, was man sehen oder ern­ten könn­te. Kei­ne Blu­men, kein Gemü­se. Doch der­je­ni­ge, der umgräbt, hat eine Visi­on: Er will auf sei­nem Stück Land mehr als blos­se Wild­nis und schwingt des­halb den Spa­ten. Er gestal­tet aktiv und ver­traut für den Rest auf das Geschenk gedeih­li­chen Wetters.
Anne Burgmer
mehr zum Autor
nach
soben