Aargauer Seelsorgende stehen politisch links
- Im Oktober sind National- und Ständeratswahlen. Horizonte hat evaluiert, wie sich Aargauer Seelsorgende politisch positionieren.
- Sind kirchliche Mandatsträger wirklich politisch so links, wie ihnen von den bürgerlichen Parteien vorgeworfen wird? Das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage zeigt: Ja. Überraschende Erkenntnisse gibt es gleichwohl.
Insgesamt 139 Seelsorgende, darunter Priester, Diakone sowie nicht Ordinierte (davon 37 Frauen) arbeiten im Kanton Aargau in Diensten des Bistums Basel. Etwa 76 von ihnen haben das Schweizer Stimm- und Wahlrecht und üben dieses, wie Horizonte in Erfahrung gebracht hat, regelmässig aus. 39 Personen, darunter 14 Frauen, waren bereit, Horizonte gegenüber Auskunft über ihre politische Haltung zu ausgewählten Themen zu geben (siehe auch Bildergallerie). Auszufüllen galt es einen Bogen mit Fragen zu den Themen Soziales, Migration/Integration, Ethik, Umwelt, Wirtschaft und Sicherheit.
Erste Wahl: SP und Grüne
Das Ergebnis der Umfrage zeigt: Aargauer Seelsorgende mit Stimm- und Wahlrecht in der Schweiz wählen überdurchschnittlich oft SP (37 Prozent) und Grüne (29 Prozent). Gerade einmal 8 Prozent geben der CVP ihre Stimme. Bei den befragten Männern bekommt vor allem die SP die Stimme (40 Prozent gegenüber 23 Prozent bei den Frauen). Grün wählen vermehrt Frauen (30 Prozent gegenüber 28 Prozent bei den Männern).Auch inhaltlich decken sich die Haltungen des Seelsorgepersonals mit den Positionen der beiden Parteien. Nur gerade 3 Prozent der Befragten befürworten eine Kürzung bei der Sozialhilfe. Hingegen befürworten 85 Prozent, dass der Bund die ausserfamiliäre Kinderbetreuung finanziell unterstützt. Für Letzteres sprechen sich allerdings deutlich mehr Männer als Frauen aus.
Männer wollen mehr Bio-Produkte
Auch bei den Themen Migration und Integration, Ethik, Umwelt, Wirtschaft und Sicherheit decken sich die Positionen mit denjenigen der linken Parteien. Am Eindrücklichsten zeigt sich dies bei den Themenfeldern Migration und Integration sowie in wirtschaftspolitischen Fragestellungen. Zwischen 69 und 77 Prozent der Befragten begrüssen die Aufnahme von Flüchtlingen, die Legalisierung von Sans Papiers durch Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen und sind der Ansicht, dass Ausländerinnen und Ausländer nach zehn Jahren Aufenthalt in der Schweiz automatisch das hiesige Stimm- und Wahlrecht erhalten sollten.Klare Ansagen auch in der Wirtschaftspolitik: Nur gerade 3 Prozent des Seelsorgepersonals liebäugeln mit der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Hingegen sind 77 Prozent für den Ausbau des Kündigungsschutzes. Beim Thema Umwelt sind die Aussagen ebenfalls eindeutig: 74 Prozent der Befragten befürworten höhere Abga- ben auf fossile Brennstoffe; Massnahmen zur Förderung von Bio-Landwirtschaft und zur Reduktion des Fleischkonsums werden von immerhin je 56 Prozent der Befragten gewünscht. Auffallend: Mehr Bio-Produkte sind vor allem Männern ein Anliegen.
46 Prozent für begleiteten Suizid
Beim Thema Ethik überraschen die befragten Seelsorgenden mit einer progressiven Haltung: 62 Prozent befürworten, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen. Immerhin 46 Prozent unterstützen den begleiteten Suizid, wenn jemand an einer unheilbaren Krankheit leidet.Spannend das Thema Sicherheitspolitik: Zwar sprechen sich 85 Prozent aller Befragten für eine Einschränkung beim privaten Waffenbesitz aus, doch immerhin 40 Prozent der männlichen Umfrageteilnehmer erachten eine umfassendere Polizeipräsenz als zwingend notwendig – gar kein Thema bei den befragten Frauen.
Links wählen, bürgerlich abstimmen
Auffallend: Manchmal widersprachen die deklarierten Positionen der angegebenen Parteiwahl. Eine 56-jährige SP-Wählerin beispielsweise spricht sich gegen Aufenthaltsbewilligungen für Sans-Papiers und gegen höhere Abgaben auf fossile Brennstoffe aus. Dies lässt den Schluss zu, dass das Aargauer Seelsorgepersonal zwar links wählt, aber teilweise immer wieder auch einmal bürgerlich abstimmt.