Aar­gau­er Lan­des­kir­chen: Gemein­sam für Pal­lia­ti­ve Care

  • Seit 2016 enga­gie­ren sich die Aar­gau­er Lan­des­kir­chen gemein­sam in der Aus- und Wei­ter­bil­dung von Pal­lia­ti­ve Care-Fach­leu­ten und Frei­wil­li­gen. Dies als Aus­druck der christ­li­chen Lebens­auf­fas­sung, die den Tod als natür­li­chen Teil des Lebens sieht und dem Trend hin zu assi­stier­ten Sui­zi­den eine wür­de­vol­le Beglei­tung im Ster­ben ent­ge­gen­set­zen möchte.
  • Aar­gau­er Seel­sor­gen­de gestal­ten das Aar­gau­er Aus­bil­dungs­an­ge­bot im Bereich Pal­lia­ti­ve Care in enger Zusam­men­ar­beit mit Insti­tu­tio­nen und Care-Orga­ni­sa­tio­nen aktiv mit und sen­si­bi­li­sie­ren für reli­giö­se Bedürf­nis­se und Fragestellungen.
 Wäh­rend an jenem Okto­ber­nach­mit­tag draus­sen die herbst­lich ver­färb­ten Blät­ter im Son­nen­licht leuch­ten, war­ten im «Haus der Refor­mier­ten» in Aar­au neun Frau­en gespannt auf das Refe­rat von Hans Nig­ge­li, dem Lei­ter Spi­tal­seel­sor­ge der Aar­gau­er Lan­des­kir­chen. Die Anwe­sen­den sind Pro­fis, tätig im Bereich Pfle­ge oder Seel­sor­ge. Sie besu­chen den «Zer­ti­fi­kats-Lehr­gang Inter­pro­fes­sio­nel­le Spe­zia­li­sier­te Pal­lia­ti­ve Care». An besag­tem Nach­mit­tag geht es um christ­li­che Ritua­le im Rah­men der Ster­be­be­glei­tung.

«Vie­le Men­schen am Ende des Lebens wol­len ein Ritual»

Zum Ein­stieg wird zusam­men­ge­tra­gen, was über Ritua­le im All­ge­mei­nen sowie im Rah­men der Ster­be­be­glei­tung bereits bekannt ist, und was die Erwar­tun­gen an den Kurs­nach­mit­tag sind. «Mich inter­es­siert, wel­che Ritua­le ich mit Men­schen machen kann, die am Lebens­en­de auf­grund einer Krank­heit wie bei­spiels­wei­se Demenz bereits stark beein­träch­tigt sind», mel­det sich eine Kurs­teil­neh­me­rin. Eine ande­re hofft auf Anre­gun­gen im Umgang mit der Sprach­lo­sig­keit der Ange­hö­ri­gen. Und eine Pfle­ge­fach­frau, die auf­grund ihrer kir­chen­fer­nen Sozia­li­sie­rung wenig über christ­li­che Ritua­le weiss, will zunächst ein­mal erfah­ren, was eine Kran­ken­sal­bung oder «die letz­te Ölung» ist.Hans Nig­ge­li geht auf alle Anlie­gen ein und lässt immer wie­der in Klein­grup­pen zu ver­schie­de­nen Aspek­ten Inhal­te erar­bei­ten. Sein Fazit: «Wel­che Hand­lun­gen und Ritua­le tat­säch­lich erwünscht sind, ist völ­lig indi­vi­du­ell». Man kön­ne da nichts auf­grund der Kon­fes­si­ons­zu­ge­hö­rig­keit ablei­ten. Aber: «Vie­le Men­schen am Ende des Lebens wol­len ein Ritu­al. Sie wis­sen nur oft nicht genau, was.» Ent­spre­chend sei es wich­tig, ein­fühl­sam nach­zu­fra­gen.

Erfahr­bar machen: «Du bist nicht allein!»

Natür­lich wird im Lau­fe des Nach­mit­tags auch bespro­chen, was denn ein Ritu­al ist und wor­in sei­ne Kraft liegt. Dazu Hans Nig­ge­li: «Ein Ritu­al ist etwas, das nach kla­ren Vor­ga­ben gemacht wird und einen hohen Sym­bol­ge­halt auf­weist». Und dann nennt Hans Nig­ge­li ein Bei­spiel: «Wenn ich zum Bei­spiel ein Ker­ze anzün­de, um Licht ins Dun­kel zu brin­gen». Es gehe bei Ritua­len ums Erfah­ren und Erle­ben, führt der Lei­ter Spi­tal­seel­sor­ger der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che wei­ter aus: «Dar­um, mit einer Hand­lung erfahr­bar zu machen: Du bist nicht allein mit dei­ner Krank­heit, mit dei­nem Schmerz». Auf die­se Art und Wei­se könn­ten Ritua­le bei Über­gangs­si­tua­tio­nen unter­stüt­zen.«Und was kann ich im Rah­men sol­cher Ritua­le tun, um Men­schen ihre Situa­ti­on erträg­li­cher zu machen?», will eine Kurs­teil­neh­me­rin wis­sen. «Vie­len ist kör­per­li­che Nähe sehr wich­tig: Eine Umar­mung, die Hand hal­ten», ant­wor­tet Hans Nig­ge­li. «Das sage ich jeweils auch den Ange­hö­ri­gen. Zudem: Ritua­le gewin­nen an Stär­ke, wenn sie öfter durch­ge­führt wer­den oder meh­re­re zusam­men sie machen».

Der Kan­ton unter­stützt die Aus- und Weiterbildungen 

Die Aar­gau­er Lan­des­kir­chen gehö­ren im Aar­gau seit Jah­ren zusam­men mit dem Roten Kreuz oder dem Care­um Wei­ter­bil­dungs­zen­trum für das Gesund­heits- und Sozi­al­we­sen zu den wich­ti­gen Kurs­an­bie­tern im Bereich Pal­lia­ti­ve Care. Meh­re­re Hun­dert Frei­wil­li­ge und Pro­fis haben in den ver­gan­ge­nen Jah­ren bereits eine Aus- oder Wei­ter­bil­dung absol­viert. «Nicht zuletzt infol­ge der vom Kan­ton gespro­che­nen Aus- und Wei­ter­bil­dungs­breit­rä­ge gab es einen regel­rech­ten Run auf die Kur­se», weiss Jür­gen Hein­ze, katho­li­scher Seel­sor­ger am Kan­tons­spi­tal Baden und seit vie­len Jah­ren Kurs­lei­ter in der Aus­bil­dung von Frei­wil­li­gen.Wer einen Kurs in Pal­lia­ti­ve Care besu­chen möch­te, kann einen Wei­ter­bil­dung­bei­trag bean­tra­gen. Für hoch­spe­zia­li­sier­te Kur­se auf Niveau B2 beträgt die­ser sogar meh­re­re tau­send Fran­ken.  «Noch bis 2021 kön­nen Bei­trä­ge bean­tragt wer­den», erklärt Danie­la Mus­tone vom Spi­tex-Ver­band Aar­gau. Bis dann soll das Depar­te­ment für Gesund­heit und Sozia­les ein Kon­zept für Pal­lia­ti­ve Care im Aar­gau erar­bei­tet haben.

Die Refor­mier­ten waren Vorreiter

Seit 2016 tre­ten die Aar­gau­er Lan­des­kir­chen mit ihrem Enga­ge­ment zugun­sten von Pal­lia­ti­ve Care gemein­sam auf. Dies, nach­dem die Syn­ode der Refor­mier­ten Lan­des­kir­che Aar­gau bereits 2009 den Auf­trag gab, eine Aus­bil­dung in Pal­lia­ti­ve Care zu kon­zi­pie­ren und einen Dienst auf­zu­bau­en, der die Gemein­den bei der Beglei­tung von Ster­ben­den und ihren Ange­hö­ri­gen unter­stüt­zen soll­te. Ein erstes Kurs­an­ge­bot 2010 fand gros­sen Zuspruch und wur­de suk­zes­si­ve erwei­tert.Die öku­me­ni­sche Zusam­men­ar­beit folg­te erst spä­ter. Dass sie erst auf­grund knap­per wer­den­der Res­sour­cen ins­be­son­de­re bei den Refor­mier­ten erfolg­te, wird von ver­schie­de­ner Sei­te zwar immer wie­der erwähnt, aber nicht offi­zi­ell bestä­tigt. «Das Bewusst­sein, dass alle Auf­ga­ben gemein­sam und auch mit der Christ­ka­tho­li­schen Lan­des­kir­che erbracht wer­den soll­ten, muss­te zuerst wach­sen», erklärt dazu Jür­gen Hein­ze.

Gemein­sam ist man stärker

Die öku­me­ni­sche Zusam­men­ar­beit im Bereich Pal­lia­ti­ve Care trägt jedoch Früch­te. So exi­stiert heu­te eine öku­me­ni­sche Begleit­kom­mis­si­on mit Mit­glie­dern aus den Kir­chen­rä­ten, dem Hos­piz und ver­schie­de­nen Fach­per­so­nen aus dem Bereich Pal­lia­ti­ve Care.
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben