Acht­sa­me Kir­che in der Fair Trade-Stadt Aarau

Acht­sa­me Kir­che in der Fair Trade-Stadt Aarau

  • Am 11. Mai orga­ni­siert die Stadt Aar­au ihren ersten Fair Trade-Tag. Par­al­lel dazu wird die Römisch-Katho­li­sche Kir­che  im Rah­men der Akti­on «Acht­sa­mes Aar­au» Spi­ri­tua­li­tät im öffent­li­chen Raum erleb­bar machen. Eine gewoll­te Verzahnung.
  • Mit einer Kla­ge­mau­er, einem Gesprächs­so­fa, Stadt­ex­er­zi­ti­en und ande­ren Medi­ta­ti­ons­for­men will die Römisch-Katho­li­sche Kir­che vom 9.–11. Mai spi­ri­tu­el­le Ange­bo­te beson­ders auch Men­schen zugäng­lich machen, die kei­nen Bezug mehr zu den Kir­chen haben.
 Längst nicht nur Schü­le­rin­nen und Schü­ler demon­strier­ten vor Kur­zem für eine kon­se­quen­te­re Kli­ma­po­li­tik. «Es kann so nicht wei­ter­ge­hen», lau­te­te der Kon­sens. Das betrifft auch das Ver­ständ­nis für unse­re Han­dels­be­zie­hun­gen zum Süden. Lan­ge Zeit hat sich kaum jemand dar­an gestört, dass für die gün­sti­gen Prei­se von exo­ti­schen Früch­ten, Kaf­fee oder Klei­dung die Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter in Ent­wick­lungs­län­dern die Zeche bezah­len. Doch die­se Zei­ten sind vor­bei. Spä­te­stens mit Max Havel­a­ar begann sich der Fair Trade-Gedan­ke Ende der 1980er-Jah­re auch inner­halb einer brei­ten Öffent­lich­keit zu eta­blie­ren.

Ein neu­es Label: Fair Trade-Stadt

Gut 30 Jah­re spä­ter ver­spü­ren gar Schwei­zer Städ­te nach Errei­chen des Labels «Ener­gie­stadt» Lust auf eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung: Sie wol­len als soge­nann­te Fair Trade-Städ­te zer­ti­fi­ziert wer­den und arbei­ten dar­auf hin, ihr Gewer­be sowie ihre Bür­ge­rin­nen und Bür­ger für fai­ren Han­del zu sen­si­bi­li­sie­ren. Das Label wird von den bekann­ten Fair Trade-Orga­ni­sa­tio­nen ver­ge­ben, wenn eine Stadt nach­weis­lich fai­ren Han­del unter­stützt. Dazu gehört, dass sich eine Arbeits­grup­pe inten­siv mit der The­ma­tik befasst und Gastro­be­trie­be und Detail­han­del Fair Trade-Pro­duk­te im Ange­bot haben müs­sen.Auch Aar­au will Fair Trade-Stadt wer­den und ver­an­stal­tet hier­für am 11. Mai – just am inter­na­tio­na­len Tag des fai­ren Han­dels – einen ersten Fair Trade-Tag. Auf­fal­lend: Auch die Römisch-Katho­li­sche Kir­che ist mit von der Par­tie. Unter dem Mot­to «Acht­sa­mes Aar­au» wer­den vom 9.–11. Mai ver­schie­de­ne Akti­vi­tä­ten ange­bo­ten, die «Spi­ri­tua­li­tät und beson­ders Acht­sam­keit im All­tag als Lebens­res­sour­ce erfahr­bar machen sol­len», bringt Pro­jekt­lei­te­rin Susan­ne Andrea Bir­ke von der orga­ni­sie­ren­den Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che das Ziel auf den Punkt.

Acht­sam­keit trifft fai­ren Han­del: Eine gewoll­te Verknüpfung

«Ich hat­te schon län­ger die Idee, mit Spi­ri­tua­li­tät im öffent­li­chen Raum prä­sent zu sein», erin­nert sich Susan­ne Andrea Bir­ke. Aus ver­schie­de­nen deut­schen Städ­ten, aber auch aus Zürich ken­ne sie ähn­li­che Pro­jek­te: «Stil­les Frank­furt» bei­spiels­wei­se. «Im Team haben wir dar­über nach­ge­dacht, wo und wie wir das im Aar­gau umset­zen kön­nen und haben im Pasto­ral­raum Aar­au einen Koope­ra­ti­ons­part­ner gefun­den». Dann sei man mit der Stadt Aar­au ins Gespräch gekom­men und habe rea­li­siert, dass sich ein solch kon­tem­pla­ti­ver Ansatz gut mit den Aktio­nen ergänzt, wel­che Aar­au als «Fair Trade Town« umsetzt.Acht­sam­keit, Spi­ri­tua­li­tät und fai­rer Han­del: Wie geht das zusam­men? Sind das nicht ganz ver­schie­de­ne The­men? Der Fair Trade-Tag und «Acht­sa­mes Aar­au» sei­en unab­hän­gig von­ein­an­der ent­stan­den, aber man wol­le Syn­er­gien nut­zen, erklärt Andre­as Bur­ri, Pro­jekt­ko­or­di­na­tor Fair Trade-Town Aar­au. Die Kan­tons­haupt­stadt stre­be auf­grund eines Vor­stos­ses aus dem Ein­woh­ner­rat an, als Fair Trade-Stadt zer­ti­fi­ziert zu wer­den.Der erste Aar­au­er Fair Trade-Tag vom 11. Mai soll dazu bei­tra­gen, die Bevöl­ke­rung für fai­ren Han­del zu sen­si­bi­li­sie­ren. Das Neben­ein­an­der von Fair Trade-Tag und «Acht­sa­mes Aar­au« sei eine gewoll­te Ver­zah­nung, führt der Pro­jekt­ko­or­di­na­tor und Lei­ter der Aar­au­er Wirt­schafts­fach­stel­le wei­ter aus. Den Anstoss gab mit Mar­cel Not­ter der Gene­ral­se­kre­tär der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau als Mit­glied der Aar­au­er Fair Trade-Arbeits­grup­pe. «Nach­hal­tig­keit hat immer auch mit Acht­sam­keit zu tun», so Andre­as Bur­ri. «Und die katho­li­sche Kir­che bemüht sich enga­giert um Nach­hal­tig­keit. Da gibt es vie­le Par­al­le­len zum fai­ren Han­del.»

«Ange­bo­te ohne mis­sio­na­ri­sche Absicht»

Ist ein acht­sa­mer Mensch ein fai­re­rer Mensch? Und füh­ren Spi­ri­tua­li­tät und Reli­gi­on zu einem acht­sa­me­ren Umgang mit der Welt, bezie­hungs­wei­se brin­gen uns Gebet und Media­ti­on dazu, geziel­ter und vor allem mit mehr Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl gegen­über Men­schen in Ent­wick­lungs­län­dern zu kon­su­mie­ren? Die­se Fra­gen wol­len die Orga­ni­sa­to­ren bewusst offen las­sen. Für sie ist jeden­falls der Umgang mit Schöp­fung und Mit­men­schen ein zen­tra­ler Aspekt von Acht­sam­keit. Das Vor­be­rei­tungs­team von «Acht­sa­mes Aar­au» hofft aller­dings, mit der­art nie­der­schwel­li­gen Ange­bo­ten Inter­es­se für kirch­li­che Ange­bo­te zu wecken. In einem Arbeits­pa­pier, in das Hori­zon­te Ein­sicht bekam, heisst es, man wol­le «spi­ri­tu­el­le Ange­bo­te beson­ders auch Men­schen zugäng­lich machen, die nicht (mehr) in den Kir­chen suchen».Geh­me­di­ta­tio­nen, eine Kla­ge­mau­er, ein Gesprächs­so­fa: Alles Erfah­rungs- und «Gesprächs­an­ge­bo­te ohne mis­sio­na­ri­sche Absicht», meint Beat Nie­der­ber­ger, Lei­ter des Pasto­ral­raums Aar­au. Der Seel­sor­ge­ver­band, der Aar­au und sei­ne umlie­gen­den Gemein­den umfasst, enga­giert sich mass­geb­lich bei der Umset­zung von «Acht­sa­mes Aar­au». Mehr noch: Alle Res­sour­cen für den alle zwei Jahr statt­fin­den­den Pasto­ral­raum­tag flies­sen die­ses Jahr in den Aar­au­er Stadt-Event. Anstel­le eines Zir­kus­ta­ges wie vor zwei Jah­ren stel­len Frei­wil­li­ge zusam­men mit dem Seel­sor­ge­team ein Ker­zen­la­by­rinth vor dem Pfarr­haus Peter und Paul auf, geben Rei­sen­den gute Wün­sche mit auf den Weg, erzäh­len Kin­dern Mär­chen und bibli­sche Geschich­ten. Wei­ter gibt es einen Foto­wett­be­werb, eine Sei­fen­bla­sen­ka­ti­on sowie die Mög­lich­keit, mit dem Musik­päd­ago­gen Boris Lanz aller­lei All­tags­ge­gen­stän­de zum Klin­gen zu brin­gen. Und natür­lich stam­men alle Geträn­ke und Snacks, die hier­bei abge­ge­ben wer­den, aus fai­rem Han­del.

Eine Kla­ge­mau­er in der Markt­hal­le 

Der Jüdisch-Christ­li­che Arbeits­kreis plant der­weil in der Markt­hal­le sogar eine Kla­ge­mau­er, an der Men­schen ihre Gedan­ken, Wün­sche und Sor­gen depo­nie­ren kön­nen. Vor­bild sei die Kla­ge­mau­er in Jeru­sa­lem, erklärt Bern­hard Lind­ner, Erwach­se­nen­bild­ner der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau gegen­über Hori­zon­te .«Die Absicht des Pro­jekts ist es», so Bern­hard Lind­ner, die Ver­bin­dung von Chri­sten­tum und Juden­tum im gemein­sa­men Gebet sicht­bar zu machen. Der Christ­lich-Jüdi­sche Arbeits­kreis zeigt sich denn auch für die Kla­ge­mau­er ver­ant­wort­lich und wird mit Ver­tre­tern vor Ort sein. Der Islam darf bei einer solch inter­re­li­giö­sen Initia­ti­ve nicht feh­len. Für ein inter­re­li­giö­ses Gebet kom­men mit Jas­min El-Son­ba­ti und Kerem Adi­gü­zel zwei pro­mi­nen­te pro­gres­si­ve Mus­li­me nach Aar­au.

Stadt­ex­er­zi­ti­en schnuppern

Wei­ter haben die Besu­che­rin­nen und Besu­cher die Mög­lich­keit, eine Schnup­per­er­fah­rung in Sachen Stadt­ex­er­zi­ti­en zu machen «Das ist eine Gegen­be­we­gung zur übli­chen Pra­xis, für eine Aus­zeit in ein Klo­ster auf dem Land zu gehen», erklärt Bern­hard Lind­ner. «Bei Stadt­ex­er­zi­ti­en ver­wei­len die Men­schen an einem beleb­ten Ort und beob­ach­ten, was an Ein­drücken auf sie ein­strömt und was das an Gefüh­len und Gedan­ken aus­löst. Das wird dann her­nach bespro­chen und reflek­tiert.» In der Regel daue­re ein sol­cher Pro­zess meh­re­re Tage. An den Akti­ons­ta­gen «Acht­sa­mes Aar­au» wer­de ein Schnup­per­an­ge­bot von etwa einer Stun­de angeboten.
Andreas C. Müller
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