«Wir dür­fen die­sen Men­schen kei­ne Chan­ce geben»
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«Wir dür­fen die­sen Men­schen kei­ne Chan­ce geben»

«Wir dür­fen die­sen Men­schen kei­ne Chan­ce geben»

Wer in der Kir­che mit Jugend­li­chen zu tun hat, steht seit der Publi­ka­ti­on der Miss­brauchs­stu­die beson­ders unter Beob­ach­tung. Das ist gut so, sagt Tho­mas Bou­tel­lier. Er ist auf der Rom­rei­se der Schwei­zer Ministranten/innen Ende Juli für deren Sicher­heit zuständig.  Nach der Publi­ka­ti­on der Miss­brauchs­stu­die kön­ne eine Rom­fahrt mit Jugend­li­chen nicht mehr gleich wie bis­her durch­ge­führt wer­den, schrei­ben Sie in einer Mit­tei­lung. Was ist anders? Tho­mas Bou­tel­lier: Seit der Publi­ka­ti­on der Miss­brauchs­stu­die wird von Eltern und Medi­en anders auf uns geschaut. An unse­ren Prä­ven­ti­ons­stan­dards ist nichts neu. Aber neu müs­sen und wol­len wir zei­gen, wie wir die Kin­der und Jugend­li­chen schüt­zen. Wir wei­sen das Prä­ven­ti­ons­kon­zept auf der Web­site aus, wir haben es expli­zit allen Eltern zuge­schickt und die Lei­ten­den und Hilfs­lei­ten­den noch­mals geschult.Wie gewähr­lei­sten Sie, dass es auf der Rei­se nicht zu sexu­el­len Über­grif­fen kommt? In der Jugend­ar­beit gibt es Situa­tio­nen, die poten­zi­ell für Über­grif­fe genutzt wer­den kön­nen. Wenn ein/e Jugendliche/r möch­te, dass die Türe geschlos­sen wird, dann erwar­te ich, dass die Lei­tungs­per­son sagt, dass sie das zu ihrem eige­nen Schutz nicht möch­te. Wenn es wich­tig ist, dass ein Gespräch unter vier Augen statt­fin­det, kann die Lei­tungs­per­son eine Dritt­per­son dar­über infor­mie­ren. Dadurch ist auch die Lei­tungs­per­son siche­rer. Andern­falls kann es vor­kom­men, dass sie ver­däch­tigt wird, ohne etwas getan zu haben.Was ler­nen die Lei­ten­den sonst noch in Ihren Schu­lun­gen? Mit den Hilfs­lei­ten­den haben wir sehr aus­führ­lich über Macht gespro­chen: Was ist mei­ne Posi­ti­on? Was ist mei­ne Rol­le und wo habe ich Macht? Wie kann ich Macht ein­set­zen? Was heisst beloh­nen und bestra­fen? Wo schaf­fe ich mit mei­ner Macht Abhän­gig­kei­ten? Jemand wird dann über­grif­fig, wenn er oder sie seine/ihre Macht nicht im Griff hat oder die­se bewusst ein­setzt. Über­grif­fe, egal ob sexu­el­ler oder ande­rer Natur, begin­nen immer mit Macht­miss­brauch.Was muss pas­sie­ren, damit jemand nach Hau­se geschickt wird? Nicht jeder Annä­he­rungs­ver­such ist gleich ein sexu­el­ler Über­griff. In Ita­li­en ist Rau­chen und Alko­hol erst ab 18 Jah­ren erlaubt. Wenn ein Lei­ten­der 16-Jäh­ri­ge dazu bringt, Alko­hol zu trin­ken, geht er nach Hau­se. Eben­falls, wenn jemand sich aktiv über­grif­fig ver­hält und in die Intim­sphä­re der Jugend­li­chen ein­greift, indem er oder sie in den Zim­mern her­um­hängt.Hat die Unsi­cher­heit im Umgang mit Jugend­li­chen zuge­nom­men? Ich den­ke schon, und das ist nicht schlecht. Es sen­si­bi­li­siert mich, mich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen. Begleit­per­so­nen fra­gen heu­te: «Kann ich eine/n Teilnehmer/in umar­men, um ihn oder sie zu trö­sten?» Ich sage: «Ja, das kannst du, aber du musst vor­her fra­gen, ob das für die betrof­fe­ne Per­son o.k. ist.» Frü­her hat man das oft ein­fach gemacht. Ich muss trans­pa­rent machen, war­um ich etwas tue. Und selbst wenn das Kind ein­ver­stan­den ist, hät­te ich gern, dass noch jemand dabei zuschaut, zu mei­nem Schutz. Sol­che Situa­tio­nen müs­sen wir als Begleit­per­so­nen her­stel­len, und das schu­len wir.Wie gewähr­lei­sten Sie, dass eine gewis­se Spon­ta­nei­tät mög­lich bleibt? Neh­men wir eine tol­le Begeg­nung mit dem Papst, auf die man sich rie­sig freut, und im Über­schwang umarmt eine Lei­te­rin den nächst­be­sten Mini­stran­ten. Das pas­siert doch ein­fach. Das pas­siert und das muss auch mög­lich sein. Die Fra­ge ist: Und jetzt? Danach müss­te die Lei­te­rin zum o.k. gehen und sagen: «Ich habe gegen eine Regel ver­stos­sen.» Dann wird jemand vom o.k. den Mini­stran­ten fra­gen, wie das für ihn war. Wenn es für den Mini­stran­ten o.k. war, las­sen wir es gut sein. Es ist nicht ide­al, aber wir sind Men­schen und dür­fen spon­ta­ne Gefüh­le haben. Wenn es für ihn nicht o.k. war, muss sie dafür gera­de­ste­hen und die Kon­se­quen­zen tra­gen. Das kann je nach Art des Umar­mens heis­sen, dass sie nach Hau­se geschickt wird.Die­ses Inter­view führ­te Syl­via Stam für das «pfarr­blatt» Bern. Gekürz­te Ver­si­on. Das gan­ze Inter­view kön­nen Sie hier lesen. 
Sylvia Stam
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