Das Geheim­nis der Menschwerdung

Das Geheim­nis der Menschwerdung

Das Geheim­nis der Menschwerdung

Nie wer­de ich das Gefühl ver­ges­sen, das mich im Früh­jahr 2003 bei einer Sonn­tags­mes­se mit Mozart­mu­sik in der Salz­bur­ger Fran­zis­ka­ner­kir­che ergriff, als die Sequenz „Et incar­na­tus est de Spi­ri­tu Sanc­to ex Maria Vir­gi­ne, et homo fac­tus est“ gesun­gen und dabei der letz­te Satz mehr­fach wie­der­holt wur­de. Ja, mit dem Geheim­nis der Mensch­wer­dung steht und fällt die Sin­gu­la­ri­tät des Chri­sten­tums in der Reli­gi­ons­ge­schich­te: Es ist der Angel­punkt des christ­li­chen Glau­bens. Die Beant­wor­tung der Fra­ge, war­um Gott Mensch gewor­den ist, gehört daher zu den zen­tra­len Fra­gen christ­li­cher Theo­lo­gie. Die Ant­wort­ver­su­che sind viel­fäl­tig, wie etwa die vom ger­ma­ni­schen Ehren­ko­dex gepräg­te Satis­fak­ti­ons­leh­re des Anselm von Can­ter­bu­ry (†1109), wonach nur der Sohn als stell­ver­tre­ten­des Opfer dem Vater wür­di­ge Genug­tu­ung für die Sün­de Adams lei­sten konn­te.Mich hat immer die mysti­sche Spur des „wun­der­ba­ren Tau­sches“ (Gott wird Mensch, damit der Mensch in die Gott­eben­bild­lich­keit bes­ser hin­ein­wach­sen kann) mehr ange­zo­gen, die sich bereits bei den Kir­chen­vä­tern fin­det und die das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil betont hat, wenn es sagt, dass der Sohn „sich in sei­ner Mensch­wer­dung gewis­ser­ma­ßen mit jedem Men­schen ver­ei­nigt“ hat. Mit „jedem“ Men­schen, nicht nur mit den Chri­sten. Denn die­se Ver­ei­ni­gung ist so uni­ver­sal wie die mit der Schöp­fung gege­be­ne gött­li­che Beru­fung des Men­schen, die nun ver­deut­licht und gestei­gert wird.In der mysti­schen Tra­di­ti­on wird Gott aus Lie­be zu uns Mensch, damit sei­ne „Güte und Men­schen­freund­lich­keit“ (Titus 3,4) bes­ser erkannt wer­den kön­nen; er wird uns ähn­lich und nimmt unse­re Natur an, weil die Ähn­lich­keit zwi­schen den Gelieb­ten das Gesetz der Lie­be ist.Johan­nes vom Kreuz sag­te: „Was Gott bean­sprucht, ist, uns zu Göt­tern durch Teil­ha­be zu machen, wie er es von Natur aus ist, so wie das Feu­er alle Din­ge in Feu­er ver­wan­delt“. Mit weni­ger soll­ten wir uns nicht zufrie­den­ge­ben – so erha­ben ist unse­re Wür­de als Gesprächs­part­ner Got­tes! Doch zum Hin­ein­wach­sen in die Gott­eben­bild­lich­keit, wie dies Bru­der Klaus in sei­nem berühm­ten Gebet erfleh­te, ist viel Demut nötig, viel Selbst­er­kennt­nis unse­rer Erlö­sungs­be­dürf­tig­keit … und auch dass wir „frei­wil­lig“ zulas­sen, dass Gott uns unauf­hör­lich zu sei­nem Bild und Gleich­nis gestal­tet: „Mein Herr und mein Gott / nimm mich mir / und gib mich ganz zu eigen Dir“.Prof. Maria­no Del­ga­do, Direk­tor des Insti­tuts für das Stu­di­um der Reli­gio­nen und den inter­re­li­giö­sen Dialog
Leonie Wollensack
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