1700 Jah­re Sonntagsruhe

1700 Jah­re Sonntagsruhe

1700 Jah­re Sonntagsruhe

März 321: Kai­ser Kon­stan­tin erlässt ein Ruhe­ge­bot für den Tag des unbe­sieg­ten Sonnengottes

Reli­gi­ons­po­li­ti­sche Befrie­dung, Moti­va­ti­on fürs Mili­tär und indi­rek­te Mis­sio­nie­rung – der Sonn­tags­er­lass des römi­schen Kai­sers Kon­stan­tin erwies sich in der Geschich­te als geni­al. Er hat sei­ne Wir­kung bis heute.Erlass des Kai­sers: «Alle Rich­ter, die Stadt­be­völ­ke­rung und die Betrie­be aller Gewer­be sol­len am ver­eh­rungs­wür­di­gen Sonn-Tag (venerabi­lis die solis) ruhen. Die länd­li­che Bevöl­ke­rung soll den­noch der Land­wirt­schaft frei und unge­hin­dert nach­ge­hen, da es oft vor­kommt, dass es kei­nen bes­se­ren Tag gibt, um Getrei­de zu säen oder Wein­stöcke zu pflan­zen; denn ein Vor­teil, den die himm­li­sche Vor­se­hung gewährt hat, soll nicht durch die Wahl des Zeit­punkts ver­schenkt wer­den.»Was Kon­stan­tin der Gros­se mit Datum vom 3. März 321 an den römi­schen Stadt­prä­fek­ten Hel­pi­di­us schrieb – die­se Abschrift ist erhal­ten -, dürf­te für das gesam­te Reich gegol­ten haben. Und hat Fol­gen bis heu­te. Ob und inwie­weit der Kai­ser in sei­ner Ent­schei­dung christ­lich moti­viert war, ist unter Histo­ri­kern umstrit­ten. Der Erlass selbst gibt kei­nen Hin­weis.

Suche nach dem geeig­ne­ten Tag

Viel­leicht fand der Kai­ser ein­fach nur das jüdi­sche Kon­zept eines Ruhe­ta­ges sinn­voll. Die im Juden­tum prak­ti­zier­te Sie­ben-Tage-Woche hat­te sich im Römi­schen Reich schon vor Kon­stan­tin ver­brei­tet – wenn auch mit ande­rer Zäh­lung. Wäh­rend die Juden durch­num­me­rier­ten: erster Tag, zwei­ter Tag … sieb­ter Tag – Schab­bat -, wid­me­ten die Römer die Tage den Pla­ne­ten und ihren Göt­tern: vom Saturn-Tag (Sams­tag, engl. Satur­day) über den Sonn- und Mond-Tag bis zum Venus-Tag (Frei­tag, ital. ven­er­di).Kon­stan­tin nun leg­te den Ruhe­tag auf den laut jüdi­scher Zäh­lung ersten, laut römi­scher Zäh­lung zwei­ten Tag der Woche. Aus­schlag­ge­bend war wohl weni­ger der «Her­ren­tag» der Chri­sten; viel­mehr war die­ser Tag jenem Gott gewid­met, der sich reichs­weit durch­ge­setzt und mit dem Kai­ser­kult eng ver­bun­den hat­te: «Sol invic­tus», der unbe­sieg­te Son­nen­gott.Damit kam der Kai­ser auch ande­ren ent­ge­gen, etwa dem geheim­nis­um­wit­ter­ten Mithras-Kult, in dem die Son­ne eben­falls eine wich­ti­ge Rol­le spiel­te. Gros­ser Beliebt­heit und Ver­eh­rung erfreu­te sich der «unbe­sieg­te Son­nen­gott» auch beim Mili­tär, dem Kon­stan­tin sei­ne Macht ver­dank­te.

Chri­stus das wah­re Licht

Chri­sten konn­ten mit der Bezeich­nung «Tag des Son­nen­got­tes» zunächst nicht viel anfan­gen. Sie spra­chen wei­ter­hin lie­ber vom «Her­ren­tag» (griech. kyria­ke, lat. domi­ni­ca), dem Tag, an dem Chri­stus, der Herr (Kyrios/Dominus), von den Toten auf­er­weckt wor­den war.Ande­rer­seits: Wenn Jesus Chri­stus, der von sich sagt, er sei das «wah­re Licht», die neue, wah­re, unbe­sieg­ba­re Son­ne ist ….? Ableh­nen wie den Kai­ser­kult muss­te man als Christ den Sonn-Tag nicht. Wich­tig war: Der staat­li­che Ruhe­tag bot end­lich mehr Frei­raum, am Her­ren­tag auch Her­ren­mahl zu fei­ern. Dass an die­sem Tag auch Geschäf­te ruh­ten, war sekun­där. Gleich­wohl nahm die Kir­che die Vor­la­ge ger­ne auf.Kon­stan­tin sei es gelun­gen, so der Alt­hi­sto­ri­ker und Kon­stan­tin-Spe­zia­list Klaus Mar­tin Girar­det, «durch sei­nen nüch­ter­nen Erlass über den ‹venerabi­lis dies solis› eine Rei­he von Fäden zusam­men­zu­füh­ren, die bis­lang neben­ein­an­der her­ge­lau­fen waren». Das «hohe inte­gra­ti­ve Poten­zi­al» des Sonn­tags­er­las­ses habe sich bewährt. «Viel­deu­tig­keit und Offen­heit der For­mu­lie­rung» im Erlass habe Kon­stan­tin beab­sich­tigt, sagt Girar­det.

War Kon­stan­tin ein Christ?

Kon­stan­tin sel­ber hat­te sicher auch pri­va­te Moti­ve, den Her­ren- und Sonn-Tag zu adeln. Schon lan­ge vor sei­ner Tau­fe auf dem Ster­be­bett im Jahr 337 fühl­te er sich zum Chri­sten­tum hin­ge­zo­gen, ver­stand sich viel­leicht schon als Christ. In einer reli­gi­ons­po­li­ti­schen Rede ver­tei­dig­te er den Glau­ben an den ein­zi­gen, wah­ren Gott und sei­nen Sohn Jesus Chri­stus gegen­über heid­ni­schem «Aber­glau­ben», über den er sich teil­wei­se lustig mach­te.Inwie­weit man Kon­stan­tin gar ver­kapp­te Mis­si­ons­ab­sich­ten in christ­li­cher Rich­tung unter­stel­len kann, ist unter Histo­ri­kern umstrit­ten. Auf jeden Fall woll­te der Kai­ser den Sonn­tag als eige­nen Tag gere­gelt wis­sen. Vier Mona­te spä­ter, im Juli 321, erliess er unter ande­rem eine Art Aus­füh­rungs­be­stim­mung zum Sonn­tags­ge­setz. Dem­nach wur­de es gestat­tet, am Sonn­tag auch Skla­ven frei­zu­las­sen.Jahr­hun­der­te spä­ter, als längst die Kir­che allein über das Sonn­tags­ge­bot bestimm­te, gab es wei­ter­hin Aus­nah­me­re­ge­lun­gen für die Land­wirt­schaft. Als aber unter Kon­stan­tin der wöchent­li­che Ruhe­tag staat­li­ches Recht wur­de, hat­te sie dabei noch kaum etwas zu sagen.Roland Juchem, kna; kath.ch
Regula Vogt-Kohler
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