1. Janu­ar 1970: Abschied von Ursu­la, Bar­ba­ra und Christophorus

1. Janu­ar 1970: Abschied von Ursu­la, Bar­ba­ra und Christophorus

1. Janu­ar 1970: Abschied von Ursu­la, Bar­ba­ra und Christophorus

Vor 50 Jah­ren strich Papst Paul VI. die Gedenk­ta­ge einer Rei­he popu­lä­rer Hei­li­ger aus dem Heiligenkalender

Die ita­lie­ni­sche Film­schau­spie­le­rin Gina Lol­lo­bri­gi­da kauf­te sich nach einem glimpf­lich abge­lau­fe­nen Auto­un­fall demon­stra­tiv eine Mini­bü­ste des hei­li­gen Chri­sto­pho­rus. Und rund um den Vati­kan hat­ten die Devo­tio­na­li­en­händ­ler schon alle Bil­der und Pla­ket­ten der jetzt ver­bann­ten Hei­li­gen ver­kauft. Was war passiert? Mit dem Motu pro­prio «Pas­ca­lis myste­rii» vom 14. Febru­ar 1969, das am 9. Mai ver­öf­fent­licht wur­de und am 1. Janu­ar 1970 in Kraft trat, ord­ne­te Papst Paul VI. die Hei­li­gen­ver­eh­rung neu. Er strich eini­ge belieb­te Vor­bil­der aus dem Hei­li­gen­ka­len­der und setz­te kla­re Akzen­te in ver­schie­de­nen Zei­ten des lit­ur­gi­schen Jah­res.Die Hei­li­gen wur­den fort­an an ihrem Todes­tag gefei­ert, vor­aus­ge­setzt, die­ser liess sich histo­risch ange­mes­sen nach­wei­sen. Das bedeu­te­te offi­zi­ell das «Aus» für eini­ge so popu­lä­re Hei­li­ge wie die Ursu­la mit ihren Gefähr­tin­nen oder auch Chri­sto­pho­rus, Susan­na, Bar­ba­ra oder Cäci­lia.Das traf die Men­schen tief in ihrem Her­zen. Denn die Katho­li­ken hat­ten unter den Hei­li­gen eige­ne Favo­ri­ten, die sie in guten oder schlech­ten Zei­ten bevor­zugt anrie­fen, und zu denen sie eine beson­de­re Zunei­gung ent­wickel­ten.

Ohne gesamt­kirch­li­che Bedeutung

Da in katho­li­schen Gegen­den damals noch eher der Namens­tag als der Geburts­tag gefei­ert wur­de, war der Schrecken gross. Fiel jetzt der Namens­tag aus? Soll­ten sich die Men­schen über Jahr­hun­der­te hin­weg geirrt haben? Nein, in den Gebie­ten, wo die­se Hei­li­ge beson­ders popu­lär waren, durf­ten sie wei­ter ver­ehrt wer­den – nur hat­ten sie fort­an kei­ne gesamt­kirch­li­che Bedeu­tung mehr.Der fran­zö­si­sche Theo­lo­ge Pierre Joun­el stell­te damals das Motu pro­prio der Pres­se vor und scherz­te noch in völ­li­ger Unkennt­nis des­sen, was da kom­men wür­de: «Man hat mir schon pro­phe­zeit, dass mir Hei­li­ge mit einem Prü­gel­stock auf­lau­ern wer­den, wenn ich in den Him­mel kom­me.»

Vie­le Proteste

Tat­säch­lich war dann die Auf­re­gung so gross, dass nur weni­ge Tage spä­ter in der Vati­kan­zei­tung «Osser­va­to­re Roma­no» eine beru­hi­gen­de Erklä­rung ver­öf­fent­licht wur­de mit dem Titel: «Die Hei­li­gen abge­schafft?» Dar­in hiess es, die Auf­re­gung sei ein Alarm ohne Grund. Die Katho­li­sche Nach­rich­ten-Agen­tur (KNA) sah sich ver­an­lasst, mit einem mehr­sei­ti­gen Erklär­stück der Öffent­lich­keit die offen­sicht­lich gewünsch­ten Infor­ma­tio­nen anzu­bie­ten.Die Neu­ord­nung des Hei­li­gen­ka­len­ders ver­ur­sach­te selbst über die Kon­fes­si­ons­gren­zen hin­weg Auf­re­gung. In Kai­ro etwa war man über die Strei­chung des hei­li­gen Georg empört, der auch von den Mus­li­men ver­ehrt wur­de. Das grie­chisch-ortho­do­xe Patri­ar­chat von Alex­an­dria liess sei­ner Wut über die Ent­fer­nung der Hei­li­gen Georg, Niko­laus und Katha­ri­na aus dem Kalen­der frei­en Lauf.Papst Paul VI. nahm die Kri­tik an den Ver­än­de­run­gen im lit­ur­gi­schen Kalen­der hin und sass sie aus. Als der neue Hei­li­gen­ka­len­der am 1. Janu­ar 1970 in Kraft trat, reg­te sich kein wei­te­rer Pro­test mehr, denn mit dem ersten Advents­sonn­tag des Jah­res 1969 wur­de das neue Mess­buch in Gebrauch genom­men. Damit kam die Lit­ur­gie­re­form des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils in allen katho­li­schen Kir­chen im Got­tes­dienst an. Und für die Men­schen war die­se Umstel­lung ein ech­ter Ein­schnitt, der hef­ti­ge Dis­kus­sio­nen aus­lö­ste.

Den Hei­li­gen­him­mel globalisiert

Seit der Neu­ord­nung des Hei­li­gen­ka­len­ders hat sich im Hei­li­gen­him­mel eini­ges getan. Er ist erheb­lich viel­fäl­ti­ger gewor­den, wenn man auf den Aus­gangs­punkt 9. Mai 1969 zurück­schaut. Damals gab es 126 euro­päi­sche Hei­li­ge, jedoch nur acht afri­ka­ni­sche, 14 asia­ti­sche, vier ame­ri­ka­ni­sche und einen ozea­ni­schen. Der Hei­li­gen­him­mel war also klar euro­pä­isch geprägt, obwohl das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil den Wunsch geäus­sert hat­te, einen uni­ver­sa­len lit­ur­gi­schen Kalen­der zu schaf­fen.Johan­nes Paul II. hat für die gröss­ten Ver­än­de­run­gen gesorgt, da er so vie­le Hei­li­ge und Seli­ge kre­iert hat wie sei­ne Vor­gän­ger in vier Jahr­hun­der­ten zusam­men – ins­ge­samt 482. Denn er woll­te den Gläu­bi­gen auf der gan­zen Welt regio­na­le und je nach Stand oder Beruf pas­sen­de Vor­bil­der anbie­ten.Papst Fran­zis­kus wie­der­um setz­te einen ganz eige­nen Rekord, als er an einem Tag, am 12. Mai 2013, sage und schrei­be 803 Men­schen auf ein­mal hei­lig­sprach, dar­un­ter eine 801-köp­fi­ge Mär­ty­rer­grup­pe um Anto­nio Pri­mal­do, die 1480 ermor­det wor­den war.Im Hei­li­gen­him­mel wur­de es also immer vol­ler, seit Paul VI. den lit­ur­gi­schen Kalen­der neu ord­ne­te. Mitt­ler­wei­le ist auch er selbst dort ange­kom­men, da ihn Papst Fran­zis­kus 2014 erst selig und 2018 hei­lig­sprach.Und was wur­de aus den ver­bann­ten Hei­li­gen wie Chri­sto­pho­rus, Georg, Bar­ba­ra oder Cäci­lia? Natür­lich wer­den sie wei­ter ver­ehrt und gefei­ert, wie auch das viel­fäl­ti­ge Brauch­tum belegt. Was sind schon 50 Jah­re? Und wen inter­es­siert da eine offi­zi­el­le Anwei­sung aus dem Vati­kan?Chri­stia­ne Lau­da­ge, kna
Redaktion Lichtblick
mehr zum Autor
nach
soben